Fallbeispiel Nr. 4

Wörenkamp, Erziehungsflagellantismus, Fall III


Marianne G. - Lebensgefährtin eines Bildhauers:

(Aus dem Eigenbekenntnis an eine Ärtztin)

"Ich war zuerst sein Modell, zog aber dann ganz zu ihm und führte ihm auch die Wirtschaft. Ich könnte gar nicht sagen, wie und wann er mit dem "Strafen" begonnen hatte, es kam so Schritt für Schritt, daß mir ein besonderer Anfang gar nicht erinnerlich ist.

Als ich mich einmal verspätet hatte und als Modell eine halbe Stunde nach der vereinbarten Zeit bei ihm eintraf, scherzte er mit mir und dann, während einer Arbeitspause, sagte er, "heute warst Du aber unpünktlich, das ist eine Untugend und dafür verdient man Strafe." Dann gab er mir, was ich mehr als Spaß, wie als Ernst nahm, mit dem Meßstab einige leichte Streiche hinten drauf. Da ich ohnedies entkleidet, war dies ein Zwischenfall ohne besondere Vorbereitungen und wie ich glaubte ohne Bedeutung.

Solche verdiente Strafen gab es dann immer häufiger und ich wußte bald das ganze "Ritual" für Zuspätkommen, unruhige Haltung usw., und als ich mit ihm schon ein Verhältnis hatte, auch für zu spätes Aufstehen, eine von mir bereitete Speise, die ihm nicht schmeckte, Vergessen eines Auftrages, verspätete Briefaufgabe u.a.m. Da ich in ihn sehr verliebt war, ging ich auf diese Spielerei ein. Ich mußte, wenn ich einen solchen Fehler begangen hatte, selbst um die Strafe bitten - sagen, was ich dafür verdient hatte (wieviel Hiebe und "wohin").

Einmal tranken wir gemeinsam mit zwei Freunden im Atelier ein paar Flaschen Wein. Ich bekam einen Schwips und sagte etwas, das ihm nicht paßte. Er reagierte trotz der Anwesenheit der Freunde sofort mit seinem Strafton "Was bekommst Du jetzt dafür?". Damals bekam ich zum ersten Mal vor zwei Fremden von ihm "meine 25". Nachher mußte ich, wie immer, ihm die Hand und den Stock küssen, diesen an seinen Platz zurücktragen und mit hochgehobenen Kleid ungefähr eine Viertelstunde in der Ecke knien. Das war der Anfang der Abstrafungen vor Dritten. Später wurde dies zur regelmäßigen Gewohnheit und es gab wenigstens 5 bis 6 seiner Freunde, die oftmals Zeuge waren, wenn ich meine Vergehen beichten, um Strafe bitten, den Stock holen, alle Worte, die er mir sagte, nachsagen mußte, mich zurechtzumachen hatte, meine Schläge in Empfang nahm und dann "damit es noch ein bißchen nachzieht" kniete.

Wenngleich sein mahnender und belehrender Ton immer gleich blieb, so wurden doch die Hiebe immer kräftiger und er wußte mich so zu strafen, daß ich aus wirklichem Schmerz weinte. Vor, bei und nach der Strafe oder dem Knien hat er mich unzähligemale photografiert und solche Bilder trug er immer bei sich. Die zeigte er auch seinen Freunden und peinlich war es mir nur, wenn er sie irgend jemand verhältnismäßig Fremden auch zeigte, was er häufig und gern tat.

Nach zirka vierjährigen Miteinanderleben begann Nino einer jungen Graphikerin Unterricht im Modellieren zu geben. Als ich einmal unvermutet heimkam, kniete sie in der Ecke, die ich nur zu gut kannte und ließ bei meinem Eintritt rasch die Röcke fallen. Ich machte ihm in meiner Empörung eine große Szene vor dem Frauenzimmer, wofür er mich strafen wollte. Ich lief aber davon und kam erst nach zwei Tagen auf sein Bitten wieder.

Von da ab erlosch seine Liebe zu mir, ich wußte, daß er ein anderes Erziehungsobjekt, das ihn fesselte, gefunden hatte. Und da ich mich über die Zuverlässigkeit von Männern und besonders Künstlern, nie Illusionen hingegeben hatte, wunderte es mich nicht, daß er nach einer Romreise, zu der das Geld nur für ihn reichte, sich vor allem seiner neuen Freundin zuwandte und mich vernachlässigte.

Ich denke heute merkwürdigerweise trotz der beschämenden Behandlung und des Martyriums, das ich durchmachte, noch mit Zärtlichkeit an ihn. Es war aber zwischen uns nicht mehr das Richtige und ein paar Monate später zog ich von ihm weg und unsere Verbindung löste sich von selbst."

(Bericht in verschiedenen Sitzungen von den Aertzten aufgenommen; das Modell, von dem diese Erzählung stammt, suchte nicht wegen irgendeines Leidens die Sprechstunde auf, sondern war der Ärztin privatim bekannt; Dieser interessante Fall wurde anläßlich einer allgemeinen Unterhaltung über Prügelerziehung zutagegefordert.)

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